Christlich-jüdischer Dialog; Cover: UTB
In 14 Beiträgen beleuchtet dieser sehr lesenswerte Sammelband den jüdisch-christlichen Dialog, behandelt sowohl historische als auch gegenwärtige Entwicklungen und Herausforderungen, thematisiert problematische Begriffe und klärt über antijüdische bzw. antisemitische Stereotype auf. Das Studienbuch schreibt sich selbst auf die Fahnen, den Status quo des Gesprächs zwischen Judentum und Christentum aufzuzeigen, wichtige Erkenntnisse zu bündeln sowie „Perspektiven für eine christliche Theologie im Angesicht des Judentums“ (S. 1) zu vermitteln. Ziel ist außerdem – so die Einleitung – die „in der pastoralen und religionspädagogischen Praxis aktive[n] Theologinnen und Theologen sowie Studierende und Dozierende dazu [zu] befähigen, […] sachorientiert und differenzsensibel mit Fragen des jüdisch-christlichen Verhältnisses umzugehen“ (S. 1). Damit eine solche Sensibilisierung gelingt, greift der Sammelband in seinen zwei Teilen bzw. mit seinen Beiträgen jeweils unterschiedliche Perspektiven auf.
Teil A enthält grundlegende Perspektiven. Hier kommt neben der katholischen auch die evangelische sowie die jüdische Sicht auf historische Entwicklungen, theologische Überlegungen, Wege des Dialogs sowie den gegenwärtigen Gesprächsstand zur Sprache. Das vierte Kapitel unterscheidet die Begriffe Antijudaismus und Antisemitismus, zeigt Entstehung und Ausbreitung eines christlichen Antijudaismus auf, thematisiert den Vorwurf des Antisemitismus in der Kritik an Israel und geht auf den sog. „neuen Antisemitismus“ ab dem Jahr 2000 ein. Der Beitrag „Päpste und Juden“ stellt die theologische Basis der ambivalenten Beziehung zwischen Päpsten und Juden von der Spätantike bis ins 20. Jh. dar – eine Beziehung zwischen Schutz und Anerkennung der Juden sowie zeitgleicher Abgrenzung und Abwertung, die Idee der Überlegenheit des Christentums stets mitgedacht. Abschließend befasst sich ein Kapitel mit dem Zionismus und dem Staat Israel und blickt auf historische Kontexte sowie gegenwärtige Herausforderungen. Sehr aktuell ist dabei die Frage nach der Haltung gegenüber dem Staat Israel. Insgesamt decken die Beiträge in Teil A Kontexte bzw. Zusammenhänge auf, die dazu beitragen, das große Ganze bzw. geschichtliche Entwicklungen besser einordnen zu können und verschiedene Sichtweisen wahrzunehmen.
Teil B des Sammelbands widmet einzelnen theologischen Disziplinen angesichts des jüdisch-christlichen Dialogs jeweils ein Kapitel und verdeutlicht auf diese Weise sehr gut, welche Relevanz die Thematik in der Theologie auch jenseits der biblischen Fächer hat: Alttestamentliche Exegese, Neutestamentliche Exegese, Kirchen- und Theologiegeschichte, Systematische Theologie, Liturgiewissenschaft, Theologie der Spiritualität, Homiletik und Religionspädagogik. Hier zeigt sich, worauf der Sammelband gleich zu Beginn hinweist: Jüdisch-christlicher Dialog soll „nicht als Spezialthema, sondern als Querschnittsfrage aller theologischen Disziplinen“ (S. 2) verstanden werden. In den Beiträgen geht es jeweils darum, wie der jüdisch-christliche Dialog die jeweilige Disziplin verändert hat und inwiefern die Disziplin diesem Dialog Rechnung trägt. Desiderate werden benannt, ebenso wie Impulse für den jüdisch-christlichen Dialog, die von der jeweiligen Disziplin ausgehen. Die einzelnen Kapitel sind nach dem Schema „Grundlegender disziplinbezogener Überblick“, „exemplarische Themen, Fragestellungen und Problemkontexte“ und „aktuelle Herausforderungen“ strukturiert. Beispielsweise kommt zur Sprache, wie sich die Abwertung des Judentums lange Zeit auf den Umgang mit bzw. die Interpretation von biblischen Texten auswirkte. Vorurteile werden erläutert, die aus Fehlinterpretationen biblischer Texte resultieren. Oder es wird ein neuer systematisch-theologischer Blick auf das Judentum und seine Relevanz als heilsgeschichtliche Größe sowie als eigener locus theologicus skizziert.
Insgesamt ist der kompakte Sammelband sehr empfehlenswert – nicht nur wegen der guten Verständlichkeit und Lesbarkeit der Beiträge, sondern auch, weil er sowohl grundlegende Informationen für Einsteigerinnen und Einsteiger in das Thema bietet, als auch vertiefende Informationen bzw. eine profunde Zusammenfassung für diejenigen, die sich bereits mit dem jüdisch-christlichen Dialog befasst haben. Wer mehr wissen möchte, kann sich an den Hinweisen auf weiterführende Literatur am Ende jedes Beitrags orientieren; ein detailliertes Sach- und Personenregister am Buchende erleichtert den Zugriff auf zentrale Begriffe oder Namen und unterstreicht den Charakter des Buches als „Studienhandbuch“.
Dr. Verena Sauer ist Studienleiterin bei Theologie im Fernkurs.