Zum Hauptinhalt springen

Es gibt viele Konzilien, aber nur ein Nicaea!

01. Januar 2025
Mit diesen Worten lässt sich die besondere Bedeutung der Synode, die der römische Kaiser Konstantin vor genau 1.700 Jahren in der kleinasiatischen Stadt Nicaea (heute Iznik) einberufen hat, relativ gut zusammenfassen; denn diese erste reichsweite Versammlung der Bischöfe des Römischen Reiches hat die Kirchengeschichte insbesondere in drei Punkten geprägt: Sie hat (1.) lehramtlich formuliert, dass der göttliche Sohn, der Gott-Logos, ebenso das eine göttliche Wesen teile, wie der göttliche Vater und der göttliche Geist. Sie hat (2.) strukturell festgehalten, dass es drei besondere Bischofssitze in Rom, Alexandria und Antiochia gebe – wodurch die Synode die Grundlage für die altkirchliche Vorstellung gelegt hat, dass die Kirche des Imperium Romanum von den fünf Bischöfen von Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem gemeinsam geführt werden solle, die so genannte „Pentarchie“ (= „Fünferherrschaft“); und sie hat (3.) einen gemeinsamen Termin für das Osterfest festgelegt, an den sich alle Kirchen des Imperiums halten sollten.
 

Der Anlass für die Synode

Kaiser Konstantin wählte erstmals das Instrument einer reichsweiten Versammlung aller Ortsbischöfe des Imperium Romanum – offenbar deshalb, weil in Alexandria in Ägypten ein Streit um die rechte Auslegung der Stelle Sprüche 8,22 (LXX) aufgetreten war; denn in der griechischen Fassung dieser Schrift sagte die Weisheit Gottes, die Sophia, aus, dass sie der Herr „erschaffen habe im Anfang seiner Wege“. Aus dieser Formulierung scheint der Presbyter Areios/Arius († 336) geschlossen zu haben, dass der Logos Gottes vom göttlichen Vater erschaffen worden sei. Folglich betrachtete er alleine den göttlichen Vater als „ohne Anfang“ und „ungeworden“. Den Sohn scheint er hingegen als ein geschaffenes Wesen bezeichnet zu haben (Brennecke 2014, 78-79).

Diese Position traf auf den Widerspruch des Bischofs von Alexandria, Alexander († 336). Dieser las den Prolog des Johannesevangeliums so, dass der Logos bereits „im Anfang“ bei Gott gewesen und durch ihn alle Dinge geschaffen worden seien (Joh 1,1-3), dass der Gott-Logos selbst Schöpfer, also Gott sei (Brennecke 2014, 79).  

Als eine ägyptische Synode Arius aus der Gemeinschaft der Kirche exkommunizierte, appellierte dieser an andere östliche Bischöfe, die ihn wieder in die Communio aufnahmen. Um die Frage zu entscheiden, berief Kaiser Konstantin wohl im Mai des Jahres 325 nach Nicaea eine reichsweite Synode der Bischöfe des Römischen Reiches ein.

Der Verlauf der Synode

Auf der Versammlung der Bischöfe setzte sich die Position des Alexander von Alexandria durch. Denn sie verabschiedete ein „Glaubensbekenntnis“, in dem unter anderem ausgesagt wurde, dass der göttliche Sohn „aus dem Wesen des Vaters als Einziggeborener“, „aus dem Wesen des Vaters“ und „eines Wesens mit dem Vater“ sei. Es habe deshalb keinen Augenblick in der von Gott begründeten linearen Zeit gegeben, in welcher der Logos nicht existiert habe (COD, 5).

Darüber hinaus formulierte die Synode in ihrem Canon 6 die besonders hervorgehobene Stellung des Bischofs von Alexandria in Ägypten, Libyen und der Pentapolis „entsprechend den alten Gewohnheiten“, da „auch für den Bischof in Rom eine entsprechende Gewohnheit“ bestehe (COD, 8). Ebenso sollten „den Kirchen in Antiochia (…) ihre Vorrechte erhalten“ bleiben (COD, 8). Durch entsprechende Regelungen auf den späteren Synoden von Konstantinopel (381) und Chalcedon (451) sind aus diesen drei besonderen Bischöfen, für die sich später der Titel eines „Patriarchen“ eingebürgert hat, fünf Bischöfe geworden; und noch im 8. Jh wurde nur eine solche Bischofsversammlung als ein „ökumenisches“, d.h. reichsweites, Konzil anerkannt, das aus Vertretern all dieser fünf Bischöfe bestückt worden sei. In dieser Regelung zeigt sich die altkirchliche Vorstellung von Synodalität, nach welcher zentrale Fragen der überörtlichen Kirche durch eine gemeinsame Synode der führenden Bischöfe einvernehmlich entschieden werden sollten. Aus östlicher Sicht hat es daher seit dem zweiten Konzil von Nicaea (787) kein „ökumenisches Konzil“ mehr gegeben.

Schließlich hat das Konzil festgelegt, dass alle Christinnen und Christen im Wirkkreis der Synode das Osterfest am selben Tag feiern sollten. Es trifft sich daher sehr glücklich, dass die östliche wie die westliche Berechnung des Ostertermines im Jahr 2025 darin übereinkommen, dass Ostern am 20. April 2025 gemeinsam gefeiert wird. Zum besonderen Jubiläum des Konzils von Nicaea (325) hat es verschiedene ökumenische Initiativen, beispielsweise vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel, von Papst Franziskus oder dem Ökumenischen Rat der Kirchen gegeben, um ein gemeinsames Verfahren zur einvernehmlichen Bestimmung des Ostertermines zu entwickeln – bisher allerdings leider ohne durchschlagenden Erfolg. Vielleicht kann das 1.700te Jubiläum des Konzils von Nicaea (325) in diesem Jahr hierfür einen neuen Anstoß geben?

Ikone der Väter von Nicaea

Die Väter von Nicaea;  Autor/-in unbekanntUnknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Rezeption der Synode

Auch wenn Kaiser Konstantin gemeint haben mochte, durch das Instrument der reichsweiten Synode die in Alexandria aufgekommene Streitfrage zu lösen, dauerte der Diskurs fast noch ein ganzes Jahrhundert an – in der Kirche des Römischen Reiches solange, bis auf einer Synode in der östlichen Reichshauptstadt Konstantinopel im Jahr 381 das Glaubensbekenntnis von Nicaea (325) um Aussagen über den Hl. Geist erweitert wurde, wodurch dasjenige Glaubensbekenntnis – das so genannte Nicaeno-Constantinopolitanum – entstanden ist, zu dem sich heute – abgesehen von zwei inhaltlichen Varianten – alle wesentlichen christlichen Traditionen bekennen. Diese beiden Varianten berühren einerseits die Aussage, ob der Hl. Geist „aus dem Vater“ hervorgehe, wie es die östliche Tradition will; oder aber „aus dem Vater und dem Sohn“, wie es die lateinische Tradition bevorzugt. Zum anderen die Vorbehalte von evangelischen Christinnen und Christen, die eine Kirche als „katholische“ zu bezeichnen, weshalb sie die Formulierung „christliche“ Kirche bevorzugen.

Der Diskurs zwischen der Kirche des Imperium Romanum und den Kirchen, die unter den germanischen Ethnien entstanden sind, dauerte bis in das Jahr 587, bis sich der westgotische König Rekkared zu dem Glaubensbekenntnis der römischen Kirche bekannte, also sozusagen „katholisch“ geworden ist.

In der Kirche im Reich der Perser, der Apostolischen Kirche des Ostens, stellte das Konzil von Nicaea (325) das Vorbild für eine eigene reichsweite Synode dar; denn im Jahr 410 transkulturierte eine Synode der Kirche im Perserreich das Glaubensbekenntnis der Synode von Nicaea (325) in das klassische Syrische, stärkte die Position des Bischofs der Reichshauptstadt Seleucia-Ctesiphon (analog den „Patriarchaten“ des Westens) und bestimmte einen gemeinsamen Termin für das Osterfest.

Die bleibende Bedeutung des Konzils

Das Konzil von Nicaea (325) hat insofern sowohl instrumentarisch als auch inhaltlich die weitere Entwicklung der christlichen Kirchen nachhaltig geprägt. Das 1.700-jährige Jubiläum der Synode könnte daher vielleicht dazu den Anlass geben, um über die theologischen, ekklesiologischen und liturgischen Fragen vertiefter nachzudenken, welche die Bischofsversammlung angestoßen hat. Im Rahmen von Theologie im Fernkurs haben Sie dazu beispielsweise in einem Aufbaukurs-Wochenende vom 21. bis 23. März 2025 in Würzburg oder in einer Grundkurs-Woche vom 06. bis 10. Oktober in Nittendorf die Gelegenheit.

Literatur:

Brennecke, Hanns-Christof: Athanasius Werke III/1. Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streites bis zur Synode von Alexandrien 362, Berlin-Boston 2014.

Dünzl, Franz: Kleine Geschichte des trinitarischen Dogmas in der Alten Kirche, Freiburg i.Br. u.a. 2011 (2. Auflage).

Heil, Uta: „Bloß nicht wie die Manichäer!“ Ein Vorschlag zu den Hintergründen des Arianischen Streites, in: Zeitschrift für antikes Christentum 6 (2002), 299-301.

Lange, Christian: Einführung in die allgemeinen Konzilien, Darmstadt 2012.

Ortiz de Urbina, Ignazio: Nizäa und Konstantinopel, Mainz 1964.

Schatz, Klaus: Allgemeine Konzilien. Brennpunkte der Kirchengeschichte, Stuttgart 2008 (2. Auflage).

Staats, Reinhart: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen, Darmstadt 1999 (2. Auflage).

Winkler, Dietmar: Zur Rezeption ökumenischer Konzilien am Beispiel der persischen und armenischen Kirche, in: Bruns, Peter/Luthe, Hans Otto (Hg.): Orientalia Christiana. Festschrift für Hubert Kaufhold, Wiesbaden 2013, 615-636.

Christian Lange

PD Dr. Christian Lange ist Stellvertretender Direktor und Akademischer Oberrat am Bayerischen Forschungszentrum für Interreligiöse Diskurse in Erlangen.


Weitere Artikel aus der Rubrik Theologische Blickpunkte