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PV-Anlage auf einem Großdenkmal – Ein Blick auf das Dach unserer Nachbarinnen

01. Juli 2024

Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) spielen eine wichtige Rolle bei der zukünftigen Energieversorgung. Dafür werden sie auch auf denkmalgeschützten Gebäuden, wie dem Mutterhaus der Schwestern des Erlösers in Würzburg installiert. Wir haben uns dieses zukunftsweisende Großprojekt in unserer Nachbarschaft von einer Expertin erklären lassen: Frau Prof. Dr. Judith Sandmeier, Referatsleiterin für kommunale Denkmalkonzepte im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und Professorin am Institut für Architektur und Bauwesen der Technischen Hochschule Augsburg. Das Interview führte Martin Grimm.

Frau Prof. Dr. Sandmeier, Sie sind Expertin für städtebauliche Denkmalpflege und Referatsleiterin im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Sie haben von Seiten des Denkmalschutzes das Projekt begleitet. Was genau war Ihre Rolle in diesem Prozess?

Es war relativ schnell klar, dass die Idee der Erlöserschwestern, auf ihrem Mutterhaus eine Solaranlage zu installieren, ein größeres, herausforderndes Projekt wird. Es wurde, nach den ersten Sondierungen des Landesamts für Denkmalpflege, des Baureferats der Stadt Würzburg und der Erlöserschwestern klar, dass sehr unterschiedliche Perspektiven und Standpunkte eingenommen wurden. Darum wurde ein sog. „kommunales Denkmalkonzept“ angestoßen. Dabei setzen sich die betreffenden Parteien an einen Tisch und versuchen, ein so komplexes Problem gemeinsam zu lösen, und zwar bevor das formelle Verfahren beginnt. Dieses Konzept hat also erst einmal keine formelle Bindungswirkung. Und da komme dann ich ins Spiel. Ich bin nämlich die zuständige Referatsleiterin für die kommunalen Denkmalkonzepte in Bayern.

Wie muss man sich diesen komplexen Prozess dann vorstellen, um zu einer innovativen Lösung zu kommen?

Wir haben zunächst geschaut: Was haben die Erlöserschwestern geplant? Lässt sich das mit dem Denkmalschutz vereinen? Was möchte die Stadt Würzburg?

Denn die Stadt Würzburg ist natürlich bestrebt, gleiche Voraussetzungen für alle Eigentümerinnen und Eigentümer in der Stadt zu schaffen. Das heißt, die Stadt Würzburg hat da einen größeren Blick auf die Sache, nicht nur auf dieses Einzelprojekt. Der Stadt ging es auch im ganzen Prozess immer darum, Leitlinien für das gesamte denkmalgeschützte Ensemble der Würzburger Altstadt zu finden.

Wir hatten das Ziel, eine wirklich vorbildhafte Lösung zu suchen, die zeigt, dass es möglich ist, auf einem sehr hohen Niveau diese Themen – Denkmalschutz und erneuerbare Energien oder Ressourcenschonung – zu vereinigen. Und wir sind nicht in den Prozess reingegangen und wussten schon, wie das geht, sondern wir waren auf der Suche nach guten Lösungen, haben gerungen und gestritten und haben am Ende viel dazugelernt. So haben wir insgesamt sieben Varianten untersucht, was u.a. die Leistungsfähigkeit der Anlagen, die Gestaltung, die Finanzierbarkeit und die Wartung angeht. Wir haben uns dann in diesem Prozess angenähert. Und das Besondere an Würzburg ist tatsächlich, dass aus den vielen unterschiedlichen Interessen und Perspektiven dann ein Prozess wurde, wo alle sehr produktiv – natürlich auch mit den eigenen Interessen im Hintergrund – mitgearbeitet haben und man sich am Ende diese gemeinsame Lösung tatsächlich zusammen erarbeitet hat. Damit sind wir sehr zufrieden.

Da spricht vieles für den Vorbildcharakter des Projekts. Das hängt, wenn ich das in der Berichterstattung richtig gelesen habe, unter anderem mit einer Novellierung des Denkmalschutzgesetzes zusammen. Warum war eine Nutzung von PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden in Bayern bisher nicht möglich?

Die Anlage wäre tatsächlich auch schon vor der Gesetzesänderung möglich gewesen. Es ist nämlich definitiv nicht so, auch wenn es in der Presse häufig so klingt, dass vor der Gesetzesänderung Solaranlagen auf Denkmälern oder in der Nähe von Denkmälern verboten waren. Das ist ein Irrglaube. Wir haben in den letzten zehn Jahren Solaranlagen auf Denkmälern und in der Nähe von Denkmälern genehmigt. Allerdings war es in der Vergangenheit so, dass es schon gereicht hat, wenn sog. gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen eine Installation einer PV-Anlage gesprochen haben, um die Abwägung eher für den Denkmalschutz und gegen eine Anlage zu treffen. Mit der Gesetzesänderung ist es jetzt so, dass grundsätzlich diese Abwägung energiewendefreundlich vorgeprägt ist. Das bedeutet, dass wirklich sehr gewichtige Gründe dagegen sprechen müssten, um eine Anlage zu versagen.

Frau Prof. Dr. Sandmeier, wenn von PV-Anlagen gesprochen wird, denke ich sofort an diese schwarzen Module. Die sieht man bei den Erlöserschwestern nicht. Warum nicht?

Es gibt ja verschiedene Solarlösungen. Es gibt die sogenannten additiven Anlagen, also Aufbauanlagen, die Sie zusätzlich auf die Dachhaut aufschrauben, so wie Sie es meist bei Einfamilienhäusern sehen. Die müssen nicht immer schwarz sein. Die gibt es, v.a. im europäischen Ausland, auch in anderen Farben, z.B. rot. Da wächst langsam der Gedanke, dass eine Solaranlage – nicht nur im Denkmal, sondern auch beim Neubau – zu einem gestalteten Bauteil am Gebäude wird. Sie ist nicht irgendwie eine additive Anlage, die halt auch noch darauf kommt, man plant das also mit. Und dann gibt es, neben diesen additiven Anlagen, die integrierten Anlagen, die teilweise die Dachhaut ersetzen. Manchmal sind es sogar ganze Systeme, die die wetterführende Schicht bilden.

Die Solarziegeln, die jetzt in Würzburg verbaut sind, sind tatsächlich eine der schicksten Sonderlösungen im Bereich integrierter Anlagen, die wir momentan in Bayern haben. Wir hatten in Würzburg die Herausforderung, dass wir auch in sichtbaren, also von öffentlichen Straßen und Plätzen für den Fußgänger einsehbaren Bereichen diese Solaranlagen verbauen wollten. Sie mussten folglich denkmalverträglich sein. „Denkmalverträglich“ bedeutet, dass sie sich in der Gestaltung an das Gebäude anpassen. Das muss nicht immer der „Solar-Biber“ oder die Solarziegel sein, wie es jetzt bei den Erlöserschwestern ist. Das kann auch eine konventionelle Anlage sein.

An anderen Orten in Bayern haben wir das schon, aber nicht in dieser Dimension. Die Anlage bei den Erlöserschwestern ist tatsächlich die größte Solaranlage, die wir bisher mit Solarziegeln gefördert haben. Wir haben das Projekt seitens des Landesamts auch deswegen gefördert, weil es insofern einen großen Innovationswert hat.

Solarziegel werden auf dem Dach des Klosters der Erlöser Schwestern gelegt

Solarziegel werden auf dem Dach des Klosters der Erlöser Schwestern gelegt; Bild: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Solarziegel auf dem fertigen Dach

Solarziegel auf dem fertigen Dach; Bild: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Wir haben mit dem Kloster zum einen natürlich ein denkmalgeschütztes Gebäude, das in das Gesamtensemble von Würzburg hineinpasst, zum anderen aber auch ein kirchliches Gebäude. Mit dem Blick aus meinem Bürofenster habe ich mir gedacht: Könnte ich mir vorstellen, auf das Domdach eine PV-Anlage zu installieren? Welche Spezifika gibt es bei kirchlichen Gebäuden zu beachten – welche Chancen und Herausforderungen bestehen?

Häufig wird die Diskussion auf Kirchen zugespitzt, weil diese Symbolbauten sind. Sie stehen für ganz viel Kulturgeschichte, gehören im Kern zur Orts- oder Stadtgeschichte dazu. Zudem scheinen die großen Kirchendächer natürlich auch erst einmal sehr geeignet, weil sie so frei stehend und so gut ausgerichtet sind. Und die Kirchen wollen natürlich aus dem Schöpfungsverständnis heraus etwas gegen den Klimawandel und für den Umweltschutz tun.

Trotzdem wäre ich an dieser Stelle vorsichtig. Zum Ersten ist immer die Frage zu stellen: Was für eine Nutzung ist in dem Gebäude und was kann mit diesem Strom, der auf dem Gebäude geerntet wird, versorgt werden? Kirchen haben jedoch keinen durchgehenden Strombedarf. Zum Zweiten ist zu beachten, dass sich ein Kirchendach in einer Höhe von gut 20m befindet. Damit gehen entsprechende Aufwendungen bei Gerüststellung, Wartung und Installation einher. Gerade auch die Themen Verankerung und Windsicherheit spielen da eine wichtige Rolle. Bei Domen und Münstern, die so wie so einen sehr hohen Wartungsbedarf haben, wäre das eine nicht unerhebliche Zusatzbelastung. Ein Drittes ist bei Bestandsbauten natürlich immer die Vorsicht, keine Bauschäden am Objekt zu verursachen. Es wäre nicht im Sinne der Nachhaltigkeit, wenn zum Beispiel die Tragkonstruktion Schaden nimmt und am Ende gar kein intaktes Dach mehr da ist.

Diese beispielhaften Kriterien vor dem Hintergrund betrachtet, dass man den Strom, der da oben erwirtschaftet wird, vielleicht gar nicht in der Masse braucht oder verbrauchen kann, können die Sinnhaftigkeit einer PV-Anlage auf einer Kirche zurzeit in Frage stellen. Das sind jedoch immer Einzelbetrachtungen. In zehn Jahren kann die Lage – mit einer besseren Infrastruktur zur Verteilung der Energie oder Leichtbausystemen, die minimalinvasiv sind und kaum in die Bauphysik eingreifen – völlig anders aussehen. Da sind aber noch einige Schritte zu gehen und Herausforderungen zu meistern. Das muss in den nächsten Jahren einfach wachsen. Deswegen sind aber natürlich die Investitionen der ganzen Einzeleigentümer in Solaranlagen trotzdem sinnvoll.

Zum Abschluss wüsste ich gern von Ihnen, was Sie sich in diesem Bereich für die nächsten vier bis fünf Jahre an Entwicklungen wünschen.

Ich möchte es an einem Beispiel erklären: Kamine zum Beispiel sind zu einem sehr selbstverständlichen Bestandteil im Ortsbild geworden. Wenn wir zum Fenster hinaus schauen, sieht jeder mindestens vier oder fünf Kamine. Auch das war einmal eine Änderung, dass Teile des Daches eine neue Funktion übernahmen. Und die mussten auch integriert werden, sind aber heute so gut wie selbstverständlich. Jeder Handwerker kann ihnen mehrere Techniken anbieten, wie ein Kamin ausgeführt wird in verschiedensten Situationen. Ich hoffe darauf, dass es zu einer handwerklichen Kunst wird, Solaranlagen zu installieren. Ich hoffe, dass wir die Solaranlage als ein selbstverständlich gestaltetes Bauteil betrachten; dass Qualität und eine Bandbreite an gut gestalteten Lösungen für uns zur Verfügung stehen. Die Denkmäler sind, sozusagen als die „Königsklasse“ der Bestandsbauten, eine gute Möglichkeit, das auszuprobieren und zu fördern. Dadurch wird Fortschritt nicht gehemmt, sondern am Ende können mehrere Lösungen angeboten werden, die der Nachhaltigkeit dienen.

Vielen Dank für diese hoffnungsvolle Zukunftsvision zum Abschluss sowie für Ihre Zeit und Ihre fundierten Auskünfte.

Martin Grimm
Martin Grimm

Martin Grimm ist Studienleiter bei Theologie im Fernkurs.


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