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Gedenkbild „Versammlung des deutschen Episcopates im Jahre des Heiles 1848“

Gedenkbild „Versammlung des deutschen Episcopates im Jahre des Heiles 1848“ – Inschrift im Gedenkbild in der Mitte unter den Bischöfen; Lithographie. „Entworfen, lithographiert u. gedruckt v. G. Oppel in Würzburg“ (Blattrand unten), Material: Papier; Größe: 80x73 cm (Diözesanarchiv Würzburg, BGO, Nr. 1694).

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Theologische Blickpunkte

Gedenkbild „Versammlung des deutschen Episcopates im Jahre des Heiles 1848“ – Inschrift im Gedenkbild in der Mitte unter den Bischöfen; Lithographie. „Entworfen, lithographiert u. gedruckt v. G. Oppel in Würzburg“ (Blattrand unten), Material: Papier; Größe: 80x73 cm (Diözesanarchiv Würzburg, BGO, Nr. 1694).

Die erste deutsche Bischofskonferenz 1848

01. Juli 2023

Das Revolutionsjahr 1848 kann als ein entscheidender Markstein in der Entwicklung des modernen deutschen Katholizismus bewertet werden. Die Folgen lassen sich heute noch erkennen. Die Katholikinnen und Katholiken bzw. die katholische Kirche in Deutschland lernten sich als politisch, gesellschaftlich und kulturell konkurrierende Sozialform wahrzunehmen und entwickelten bis heute charakteristische Strukturen und Aktionsmuster. Zwei Phänomene, die 1848 ihren Anfang genommen haben, sind dabei besonders prägend: der deutsche Katholikentag und die deutsche Bischofskonferenz.

Als im März 1848 von Frankreich her die Revolution die deutschen Staaten erfasste, stimmten Katholikinnen und Katholiken, darunter vor allem auch Mitglieder des (einfachen) Klerus, in einer aus heutiger Sicht überraschend offenen Weise in die Rufe nach Freiheit und Gewährung der bürgerlichen Rechte mit ein. Sie erkannten die Chance, das schon lang als allzu drückend empfundene staatskirchliche Joch abzuwerfen und für die Kirche die ersehnte Unabhängigkeit zu gewinnen. In Mainz und Limburg wurden noch im März die ersten Piusvereine gegründet, die sich vor allem die religiöse Freiheit zum Ziel setzten. Neben Vereinen entstand auch eine katholische Tagespresse als Ergänzung zu den schon vorhandenen katholischen Zeitschriften. Eher zurückhaltend verhielten sich bis auf wenige Ausnahmen die Bischöfe und Bistumsleitungen. In ihren Hirtenbriefen mahnten sie zu Ruhe und Ordnung und warnten vor jeder Radikalisierung. Der Würzburger Korrespondent der in Mainz erscheinenden Zeitschrift „Der Katholik“, ein Sprachrohr der katholischen Vereins- und Wahlbewegung, klagte deswegen über das Würzburger Ordinariat, es lasse ein kräftiges Auftreten vermissen.

Ein eindeutig offensiveres Vorgehen zeichnete den Kölner Erzbischof (und ab 1850 Kardinal) Johannes (von) Geissel (1796–1864) aus. Aus der sog. Mainzer Schule stammend war er streng kirchlich und ultramontan ausgerichtet. Er sah es für notwendig an, dass die Bischöfe bei der Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse die Initiative nicht aus der Hand geben. Er berief für den 10. bis 13. Mai 1848 eine Konferenz der Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz ein. Die hierbei anwesenden Bischöfe betonten ebenfalls die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat; gleichzeitig müsse aber der Staat die Kirche in ihrer rechtlichen Stellung anerkennen und vor allem im Schulbereich der Kirche völlig freie Hand lassen. Sie brachten darüber hinaus ihren Wunsch zum Ausdruck, dass eine deutsche Nationalsynode zusammentrete, um eine gemeinsame Linie für eine gesamtdeutsche Lösung in Kirchenfragen festzulegen und politisch zu vertreten.

Johann Joseph Ignaz von Döllinger

Abb. 1: Johann Joseph Ignaz von Döllinger (1799–1890); Quelle: Franz Hanfstaengl via zeno

Gedenkbild „Versammlung des deutschen Episcopates im Jahre des Heiles 1848“

Abb. 2: Gedenkbild „Versammlung des deutschen Episcopates im Jahre des Heiles 1848“ – Inschrift im Gedenkbild in der Mitte unter den Bischöfen; Lithographie. „Entworfen, lithographiert u. gedruckt v. G. Oppel in Würzburg“ (Blattrand unten), Material: Papier; Größe: 80x73 cm (Diözesanarchiv Würzburg, BGO, Nr. 1694).

Auf dem schon erwähnten Kölner Dombaufest festigte sich bei den dort anwesenden Bischöfen unter Führung von Erzbischof Geissel die Auffassung, dass ein Treffen aller deutschen Bischöfe möglichst bald auf den Weg gebracht werden solle. Auch der in Köln anwesende Wiener Nuntius Michele Viale-Prelà (1798–1860) unterstützte dieses Anliegen. Vom ursprünglichen Gedanken einer formellen Nationalsynode nahm man Abstand, da dafür eine päpstliche Genehmigung und auch eine längere Vorbereitung notwendig gewesen wäre. Bekanntermaßen reagierte man in Rom spätestens seit den gallikanischen und febronianischen Bestrebungen des 18. Jahrhunderts auf Unternehmungen wie Nationalsynode und Nationalkonzil äußerst zurückhaltend, wenn nicht sogar ablehnend. Trotz des Widerstandes mancher Amtsbrüder, wobei in erster Linie der Münchener Erzbischof Karl August Graf von Reisach (1800–1869) zu erwähnen ist, der in einer solchen Versammlung eine Gefährdung der päpstlichen Vollgewalt sah, rief Erzbischof Geissel mit Einladungsschreiben vom 1. Oktober 1848 die deutschen Bischöfe zu einer an sich formlosen synodalen Zusammenkunft oder, wie es erst später heißen sollte, Bischofskonferenz nach Würzburg zusammen. In einer dem Einladungsschreiben beigelegten Denkschrift betonte Geissel, wie wichtig „ein vereintes Begegnen, ein gemeinsames Handeln“ der Bischöfe sei. Die „grosse Vereinzelung und fast gänzliche Diözesan–Abgeschlossenheit“ mancher Bischöfe müsse überwunden werden. Auch weist Geissel, um die Sorgen der besonders papsttreuen Bedenkenträger zu zerstreuen, eigens darauf hin, dass die „gefaßten Beschlüsse und Anordnungen“ der päpstlichen Genehmigung bedürften. Er sieht sogar die Chance, durch die „synodale Thätigkeit“ die Verbundenheit mit Rom zu intensivieren.2 Nachdem die Mehrzahl der Bischöfe bzw. ihrer Vertreter, wie im Einladungsschreiben gewünscht, am 21. Oktober in Würzburg eingetroffen waren, fand unter dem Vorsitz des Kölner Erzbischofs Geissel am 23. Oktober 1848 im Speisesaal des Priesterseminars die erste Sitzung statt.

Speisesaal bzw. Refektorium des Würzburger Priesterseminars

Abb. 3: Speisesaal bzw. Refektorium des Würzburger Priesterseminars, wo die Bischöfe im Herbst 1848 vornehmlich tagten; die Abbildung dürfte aus den 1920er Jahren stammen, aber durchaus noch den Eindruck vermitteln, den der Raum schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts besaß. – Postkartenserie zum Priesterseminar (Diözesanarchiv Würzburg, Fotodokumentation Würzburg, Pfarreien, Kirchen, Klöster: St. Michael).

In Laufe der Konferenz stieg die Anzahl der Bischöfe bzw. ihrer Vertreter, sodass alle Bistümer des Deutschen Bundes repräsentiert waren, mit Ausnahme Österreichs, von wo nur der Erzbischof von Ölmütz und der Bischof von Brixen Vertreter geschickt hatten. Am 2. November 1848 folgte noch der Salzburger Fürsterzbischof und (damit der zumindest nominelle) Primas Germaniae Friedrich Fürst zu Schwarzenberg (1809–1885), dem der Ehrenvorsitz übertragen wurde. Bis zum 16. November fanden in der Regel täglich zwei Sitzungen mit insgesamt acht bis neun Stunden Beratungsdauer statt. Ab dem 13. November fanden die letzten Sitzungen im Speisesaal des Franziskanerklosters statt, da das Priesterseminar für die aus den Semesterferien zurückkehrenden Alumnen freigemacht werden musste. Auch eine Reihe von Theologen – der bekannteste war wohl Döllinger – brachten ihre Expertise bei den Beratungen ein. Auch prominente Laien, wie der badische Katholikenführer Franz Joseph von Buß (1803–1878), weilten in dieser Zeit in Würzburg; auch wenn sie nicht an den Verhandlungen teilnehmen konnten, vermochten sie so auf die Beschlüsse Einfluss zu nehmen.

Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen in der Situation des Jahres 1848 naturgemäß staatskirchenrechtliche Fragen. Kernanliegen war auch für die in Würzburg tagenden Bischöfe, den staatlichen Einfluss auf die Kirche weitgehend zu beschränken. Für die Bischöfe galt allerdings, dass die Kirche „nicht nach einer Trennung, sondern nach möglichst freier Bewegung und Selbstständigkeit streben“3 solle. Sie favorisierten ein Kooperationsmodell bei möglichst großer Unabhängigkeit der Kirche. Besonders sollte auch die Priesterausbildung in der kirchlichen Verantwortung liegen.

Die Bischöfe sprachen sich auch für die Durchführung von Diözesansynoden, ebenso für die von Provinzialsynoden gemäß den kirchenrechtlichen Vorschriften aus. Erste Schritte zu nationalkirchlichen Strukturen wollten die Bischöfe aber nicht befürworten. Sie einigten sich nur darauf, die Erlaubnis für die Einberufung eines Nationalkonzils bzw. einer Nationalsynode beim Papst zu erbitten.

Mittelbau des Nordflügels des Würzburger Priesterseminars zum Innenhof

Abb. 4: Mittelbau des Nordflügels (an der Domerschulstraße) des Würzburger Priesterseminars zum Innenhof, im Erdgeschoss neben der Tür rechts befindet sich der Speisesaal. – Postkartenserie zum Priesterseminar (Diözesanarchiv Würzburg, Fotodokumentation Würzburg, Pfarreien, Kirchen, Klöster: St. Michael).

1 Verhandlungen der ersten Versammlung des katholischen Vereines Deutschlands. Amtlicher Bericht, Mainz 1848, S. X.

2 Denkschrift bzw. Promemoria, gedruckt in: Acta et Decreta Sacrorum Conciliorum recentiorum. Collectio Lacensis, Bd. V, Freiburg 1879, Sp. 959–1144 [Conventus Episcoporum Herbipolensis], hier Sp. 946–958, zitierte Stellen auf Sp. 947, 955, 957; auch abgedruckt in: Friedrich H. Vering, Die Verhandlungen der deutschen Erzbischöfe und Bischöfe zu Würzburg im Oct. und Nov. 1848, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht Bd. 21 NF 15 (1869), S. 108–169, hier S. 129–150.

3 Friedrich H. Vering, Die Verhandlungen der deutschen Erzbischöfe und Bischöfe zu Würzburg im Oct. und Nov. 1848, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 21 NF 15 (1869), S. 207–290, hier S. 226.

4 Hirtenworte der in Würzburg versammelten Erzbischöfe und Bischöfe Deutschalnds an die Gläubigen ihrer Diöcese, in: Acta et Decreta (wie Anm. 2), Sp. 1128–1132, hier Sp. 1130

5 Denkschrift der in Würzburg versammelten Erzbischöfe und Bischöfe Deutschland, in: Acta et Decreta (wie Anm. 2), Sp. 1133–958, hier Sp. 1134; auch abgedruckt in: Friedrich H. Vering, Die Verhandlungen (wie Anm. 2), S. 108–117, Hier S. 111.

6 Friedrich H. Vering, Die Verhandlungen (wie Anm. 3), S. 259.

Quellen (gedruckt):

Die Versammlung der deutschen Erzbischöfe und Bischöfe zu Würzburg im November 1848, Würzburg 1849.

Friedrich H. Vering, Die Verhandlungen der deutschen Erzbischöfe und Bischöfe zu Würzburg im Oct. und Nov. 1848, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 21 NF 15 (1869), S. 108–169 u. 207–290; 22 NF 16 (1869), S. 214–303 u. 373–474.

Acta et Decreta Sacrorum Conciliorum recentiorum. Collectio Lacensis, Bd. V, Freiburg 1879, Sp. 959–1144 [Conventus Episcoporum Herbipolensis].

Literatur:

Erwin Gatz, Synodale Bewegungen und Diözesansynoden in den deutschsprachigen Ländern von der Säkularisation bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Römische Quartalschrift 82 (1987), S. 206–224.

Theodor Henner, Die Versammlung der Deutschen Bischöfe zu Würzburg im Jahre 1848, in: Hundert Jahre bayerisch. Ein Festbuch, Würzburg 1914, S. 335–352.

Rudolf Lill, Die ersten deutschen Bischofskonferenzen, Freiburg/Basel/Wien 1964.

Joachim Schmiedl, Die Deutsche Bischofskonferenz – von revolutionären Anfängen zu institutioneller Verfestigung, in: Theologische Quartalschrift 196 (2016), S. 5–21.

Hermann Storz, Staat und katholische Kirche in Deutschland im Lichte der Würzburger Bischofsdenkschrift (Kanonistische Studien und Texte 8), Bonn 1934.

Klaus Wittstadt, Die erste deutsche Bischofskonferenz 1848 in Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 60 (1998), S. 433–460.

Wolfgang Weiß

Prof. Dr. Wolfgang Weiß war bis Wintersemester 2022/23 Inhaber der Professur für Fränkische Kirchengeschichte und Kirchengeschichte der neuesten Zeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und ist 1. Vorsitzender des Würzburger Diözesangeschichtsvereins. 2022 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Wolfgang Weiß schrieb für den Grundkurs Theologie den Lehrbrief 21 "Die katholische Kirche im 20. Jahrhundert".


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